Morgens stand zunächst der Einkauf für die kommende
Woche an, eine Expedition unter Leitung von Dr. Piepenburg: Der
Bus sollte uns um 9 Uhr an unserem Quartier abholen, gegen 9.30
Uhr nahmen wir dann den öffentlichen Bus zum MMBI, um zu sehen wo
der Bus blieb, dort erklärte man uns, er sei gerade zu unserer Unterkunft
losgefahren. Mit dem Kleinbus fuhren wir also dem großen Bus- für
die Dauer dieses Shoppings war dieser zum Einkaufsbus erklärt worden-
hinterher. Letzterer brachte uns dann zunächst zu einem "Produkti"
wo Geschirr, Putzmittel und Toilettenpapier eingekauft wurden. Danach
ging es weiter zum "Rinok" um Lebensmittel zu bunkern. Die Frage
wieviel von was benötigt würde, wurde mehrfach erörtert, man einigte
sich schließlich auf einen Kompromiß; die folgende Liste enthält
einen kurzen (und keineswegs vollständigen Überblick):
120
Äpfel
20 kg Spaghetti
10 kg Käse
3 l Öl
9 kg Wurst
10 kg Reis
mehrere Kilo Tomaten, Paprika und Zwiebeln
4 Melonen
20 kg Kartoffeln
Letztere sind ein Beispiel für den Spaß, den ein solcher
"Einkaufs-Marathon" allen Beteiligten bietet. Gekauft werden sollten,
wie bereits erwähnt, 20 kg Kartoffeln; an einem Stand gab es große
Kartoffelsäcke, die Verkäuferin wußte allerdings nicht wie schwer
sie waren. Nach dem Preis gefragt, erklärte sie, den wüßte sie nicht,
da sie ja das Gewicht nicht kenne, und die Kartoffeln kiloweise
verkauft würden. Am anderen Ende der Markthalle befand sich eine
Waage, so daß am Ende- nach einem Marsch mit dem Sack quer durch
die Halle und zurück- alles zu beiderseitiger Zufriedenheit geklärt
werden konnte.
Der Bus war gegen 13.20 Uhr wieder an unserem Quartier,
das Gepäck wurde eingeladen und um 14 Uhr in der Kantine gegessen.
Die Lebensmittel waren vorher in einen kleineren Truck umgeladen
worden.
Nach
dem Lunch erhielten wir unsere Pässe zurück, das Gepäck wurde auf
einen zweiten Truck umgeladen und dann ging es los zur Station Dalnie
Zelentsy (Karte).
Die Strecke war landschaftlich wunderschön, entlang von Seen und
einer riesigen Menge von Blaubeeren. Am Straßenrand parkten in fast
schon regelmäßigen Abständen Autos und Motorräder, deren Besitzer
zum Beerensammeln gegangen waren(eine- wie das Pilzesammeln- nationale
Leidenschaft der Russen).
Um 17 Uhr wurde eine kurze Pause eingelegt, danach
sprang der Bus nicht mehr an, und unser Fahrer konnte ihn auch nicht
dazu bringen selbiges zu tun, trotz Hämmern und Klopfen in den Eingeweiden
des Motors. Glücklicherweise, war der "Gepäckwagen" noch hinter
uns, und so ging die Fahrt gegen 18 Uhr - nachdem der Truck den
Bus angezogen hatte- weiter.
19.44
Uhr: jetzt steht der "Gepäckwagen", 5 km vor Ende der Straße; von
dort geht es nur noch mit 4WD weiter. Die Zeit bis es weiter ging
wurde zu einer kurzen, spontanen botanischen Exkursion genutzt.
Fünf km weiter hieß es dann umsteigen, auf dem letzten Streckenabschnitt
sollen wir mehr oder weniger gemütlich auf, neben und zwischen unserem
Gepäck sitzen.
Nachdem wir am Morgen die neue Mütze von Vater Tarassov
bemerkten (Soldatenkäppi mit der Aufschrift: Operation Desert
Storm), war eigentlich schon klar, daß wir auf einiges gefaßt
sein müssen. Dennoch waren wir sehr überrascht als uns Vater T.
andeutete, daß für uns Studenten (20 Leute samt Gepäck) die Reise
nun auf der LKW-Pritsche (ca.9 qm²) weitergehen würde. Obwohl es
von außen nicht so aussah, paßten wir komplett in den LKW hinein
und es war sogar noch Platz für drei weitere russische Personen:
ein älteres Pärchen und eine junge Frau. Daß sie mitten in der menschenleeren
Tundra zugestiegen sind, war nur eine unter zahlreichen russischen
Merkwürdigkeiten. Wir saßen dicht gedrängt auf unseren Bankreihen
mit dem Blick nach hinten, wo unter der Plane die einzige Möglichkeit
bestand hinaus zugucken.
Der
LKW setzte sich mit seinem typischen Knattern in Bewegung und es
wurde schnell klar, daß der Vorteil der vorderen Bankplätze - der
freie Blick nach draußen - durch den Nachteil einer herein ziehenden
Dieselabgaswolke kompensiert wurde. Die Fahrt ging in Schritttempo
voran und die oft sehr großen Schlaglöcher wurden von unserem Fahrer
mit Bravour gemeistert Nach der langen Busfahrt war das Schaukeln
auf dem Lkw eine willkommene Abwechslung, die auch das gelegentliche
von der Bank fallen und die leichten Übelkeitserscheinungen kaum
trüben konnte. Die Weiterfahrt verlief dann relativ problemlos,
bis auf eine kurze Panne (Sand in der Benzinpumpe??) und einem steilen
Hang, den unser Begleitlieferwagen erst im dritten Anlauf erklimmen
konnte.
Die Leute, die hinaus schauen konnten, wurden durch
den Anblick der weiten russischen Tundra belohnt, deren einzige
Zivilisationsmerkmale die Straße und ein alter Panzer war, der am
Wegesrand vor sich hin rottete. Irgendwann erreichten wir einen
russischen Wachposten, der uns, nach dem Vorzeigen unserer Reisepässe
und unserer Genehmigung zum Besuch des militärischen Sperrgebiets,
passieren ließ. Nach kurzer Weiterfahrt erreichten wir unseren Zielort:
Dalnie Zelentsy.

Auf den ersten Blick wirkte das Dorf noch relativ idyllisch:
eine kleine Bucht an deren Ufer viele kleine Holzhäuschen standen.
Das Postkartenmotiv wurde nur durch den diversen Metallschrott,
der überall herumlag (rostende Wracks, Kettenfahrzeuge, Rohre...),
sowie ein ziemlich häßlicher Plattenbau, der in der Mitte des Dorfes
stand, gestört. Wie sich später herausstellte war dieser Bau der
einzige in dem gesamten Dorf, der bewohnt war (sieht man mal von
der Kaserne auf der anderen Seite der Bucht ab). Angeführt von Vater
T. ging die privilegierte Gruppe der Dozenten hinein und blieb dort
eine Weile, während wir nach der langen Fahrt froh waren erst mal
frische Luft schnappen zu können.
Mittlerweile
war es schon Mitternacht, obwohl es natürlich noch hell war. Nach
kurzer Zeit kamen die Dozenten heraus und an dem verkniffenem Gesicht
von Herrn Spindler war schnell zu bemerken, daß irgend etwas nicht
stimmte. Er rief alle zusammen und schilderte uns die Situation:
Die 3 Zimmer für die Studenten wären winzig klein, so daß außer
den Liegepritschen kaum Platz wäre, außerdem hätten wir kein fließend
Wasser. Für die Dozenten erschien diese Situation untragbar und
es wurde diskutiert, ob wir bei Nichtbehebung dieser Mängel wieder
abreisen sollten. Dank Herrn Spindler wurden aber noch weitere Zimmer
für uns vorbereitet und wir einigten uns, erst einmal zu bleiben.
Wer in dieser Situation noch dachte, daß es so schlimm doch nicht
sein könnte, wurde wenig später eines Besseren belehrt. Nach kurzer
Aufteilung auf die Zimmer betraten wir das Gebäude. Der unangenehme
Geruch, sowie der Schmutz des Treppenhauses wurden noch mit viel
Toleranz hingenommen (wer putzt schon gern das Treppenhaus?), auch
das kaum vorhandene Mobiliar der Zimmer (das Beste hatte vier Holzbetten
und ein Tisch, die anderen hatten nur Liegepritschen, die aber zum
Schlafen ungeeignet waren) wurde akzeptiert, die Toiletten hingegen,
schockten selbst die wischfaulsten Studenten, so daß ich mir die
Beschreibung hier erspare. In der Nacht bemühten sich jedoch noch
einige Reinigungskräfte, die neu hinzugekommenen Zimmer, die in
dem schlimmsten Zustand waren, herzurichten. Die Aufregung des ersten
Eindrucks, (Zitat von Herrn Kappen: "Das sieht hier ja aus, wie
in meiner Kriegsgefangenschaft."), blieb noch eine ganze Weile erhalten,
doch irgendwie wurde die Stimmung dadurch seltsamerweise eher besser
als schlechter, was die meisten aber nicht davon abhielt nach dem
langen Tag endlich schlafen zu gehen.
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