Um
9 Uhr gibt's Frühstück. Danach sind alle voller Tatendrang und wollen
endlich die Khibini-Berge erkunden. Unsere geplante Wanderung muß
vorerst einem Besuch im Botanischen Garten weichen. Später werden
wir dafür allerdings ausreichend belohnt. Während einige unserer
Gruppe zum Einkaufen fahren, begeben sich die anderen unter der
Führung von Herrn Professor Kappen auf ihre erste botanische Exkursion.
Diese beginnt direkt vor unserem Haus in 350m Höhe und gibt uns
einen anfänglichen Überblick über den borealen Wald mit Moorbirken,
Kiefern, Erlen und vielem mehr. Gefolgt von der Subalpinen Stufe
und der alpinen Flechtenheide. Die boreoalpine Waldgrenze befindet
sich hier in ca. 450 Höhenmetern und bildet den Übergang zu Zwergsträuchern
und Kriechweiden. Bei unserem Streifzug rund um's Haus entdecken
wir allerhand Bekanntes, aber auch einige nördliche Vertreter wie
das Wollgras, das jeder Wiese hier einen malerischen Ausdruck verleiht.
Als
der Bus wieder da ist, geht's auf zum "Polar Alpine Botanical Garden"
in Kirovsk, wo wir bereits erwartet werden. Eine Mitarbeiterin des
Botanischen Gartens hat die undankbare Aufgabe, uns zu führen. Wir
erfahren, daß der Garten 1931 gegründet wurde, auf ca. 350 ha angelegt
ist und ein Forschungszentrum für Pflanzen und Pflanzenökologie
angegliedert hat. Der Garten ist in verschiedene Sektionen eingeteilt
und zeigt alpine Pflanzen aus aller Welt, typische arktische Vertreter
und die natürliche Tundrenvegetation. Eine andere Ecke beherbergt
Heilpflanzen wie Baldrian, Liebstöckel, Knöterich, Katzenminze und
Nieswurz. Mittlerweile hat es angefangen zu regnen und unsere Führung
endet an einem See, der von wahnwitzig vielen Mücken bevölkert wird.
Der Blick auf Kirovsk und die umliegenden Berge ist zwar beeindruckend,
dennoch schlagen uns die vielen Mücken in die Flucht.
Im
Botanischen Garten führt ein kleiner Pfad hoch in die Berge und
wir entschließen uns, gleich hier zu wandern. Nach einem Lunch im
Park geht's los im Gänsemarsch, angeführt von Herrn Kappen, der
im Vorbeigehen jegliche Pflanze am Wegesrand kurzerhand bestimmt.
Der Regen hat zwischendurch aufgehört und so macht das flotte Wandern
richtig Spaß. Bei unserem Aufstieg gewinnt ein vereinzelter Fels
unsere Aufmerksamkeit, da er vollständig von einer Vielzahl an Flechten
und Moosen bewachsen ist. Kleine Kelche, gelblich strahlendes Isländisches
Moos, geweihartige Flechten, Krustenflechten und blattartig wachsende
Nabelflechten überwuchern den gesamten Stein und bilden eine Art
"Miniaturökosystem". Ziemlich schnell erreichen wir die Baumgrenze,
die tatsächlich in etwa 450m Höhe liegt, und treten aus einem lichten
Birkenwäldchen an einen offenen Berghang. Am Gipfel ist ein Schneefeld
zu sehen, das leicht zu erreichen scheint. Ein Irrtum, wie sich
später herausstellt. Einige entdecken ein Blaukehlchen. Die Anderen
bemerken, daß eine Gruppe russischer Männer und Frauen mit prall
gefüllten Plastiktüten über die Berge zu uns heruntersteigt und
zielstrebig ins Tal wandert. Neugierig fragen wir die Fremden, was
denn in den Tüten sei und uns werden prompt Pilze geschenkt. Der
Beginn einer verhängnisvollen Pilzesucherei, die in Dalnie mit einem
üppigen Pilzgericht endet, mit dem einige von uns nicht wirklich
gute Erinnerungen verbinden. Aber wir wissen alle, es gibt in diesem
Gebiet keine giftigen Pilze! Unser Ehrgeiz ist auf jeden Fall angestachelt
und der Gewinner des Tages lautet eindeutig Professor Spindler,
der nach einiger Zeit stolz einen mächtigen Birkenpilz in seinen
Händen hält und damit abgelichtet wird.
 

Währenddessen steigen Astrid, Stefan, Thomas und noch
andere weiter Richtung Gipfel. Auch der Regen kann uns nicht abhalten,
denn hinter jedem "Gipfel" folgt ein Neuer und wir bemerken gar
nicht, daß die Anderen bereits wieder auf dem Rückweg sind. Auf
einer Plattform steht ein kleiner Kasten und darin befindet sich
ein Thermometer, das 7°C anzeigt. Doch ganz schön kalt hier oben!
Endlich erreichen wir den Paß, über den auch die russischen Pilzesammler
ihren Weg in dieses Tal gefunden haben. Wir haben einen tollen Blick
über den See, Kirovsk, Bergwerke und Berghänge, die wie mit einem
Schwert gespalten zu sein scheinen: Folgen vom Abbau der Mineralien,
die hier sehr zahlreich zu finden sind. Insgesamt gibt es in den
Khibini-Bergen an die 200 verschiedene Mineralien.

Nachdem wir diesen weiten Ausblick lange betrachtet
und genossen haben, treten auch wir unseren Abstieg an und sind
ziemlich schnell wieder im Bereich des Botanischen Gartens. Als
wir unten ankommen, sind die Anderen schon mit einem öffentlichen
Bus auf dem Weg "nach Hause". Wenig später werden auch wir mit unserem
Bus abgeholt und wir merken, daß wir ganz schön durchgefroren sind,
Hose und Schuhe sind völlig durchnäßt. Ein Versuch, die nassen Kleider
in den Zimmern zu trocknen, scheitert kläglich, da nur eine Heizung
warm ist. Gewärmt wird sich erstmal im Schlafsack und dann gibt's
auch bald Abendessen. Als kleine Kostprobe bereitet uns Alexey eine
leckere Kartoffel-Pilzpfanne aus unseren selbstgesammmelten Pilzen
zu. Begossen wird das Ganze mit Wodka, der in einer Tasse mehrmals
die Runde macht und von zahlreichen Tosts begleitet ist. Bei einem
gemütlichen Abendtrunk sitzen wir noch beisammen und unterhalten
uns über "Gott und die Welt". Zu später Stunde tritt Professor Spindler
im Doppel noch zu einer Partie Tischtennis an und wir erfahren von
einer erfolgreichen Tischtenniskarriere in seiner Jugend. So mancher
aus unserer Gruppe versucht sich in Tischtennis, muß sich allerdings
geschlagen geben. Und so endet ein weiterer Tag in den Khibini-Bergen.
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