Tagesprotokoll vom Mittwoch, den 29.07.1999
von Marcus Engelbrecht & Inke Falkner
Kirovsk

Im "Polar Alpine Botanical Garden"Um 9 Uhr gibt's Frühstück. Danach sind alle voller Tatendrang und wollen endlich die Khibini-Berge erkunden. Unsere geplante Wanderung muß vorerst einem Besuch im Botanischen Garten weichen. Später werden wir dafür allerdings ausreichend belohnt. Während einige unserer Gruppe zum Einkaufen fahren, begeben sich die anderen unter der Führung von Herrn Professor Kappen auf ihre erste botanische Exkursion. Diese beginnt direkt vor unserem Haus in 350m Höhe und gibt uns einen anfänglichen Überblick über den borealen Wald mit Moorbirken, Kiefern, Erlen und vielem mehr. Gefolgt von der Subalpinen Stufe und der alpinen Flechtenheide. Die boreoalpine Waldgrenze befindet sich hier in ca. 450 Höhenmetern und bildet den Übergang zu Zwergsträuchern und Kriechweiden. Bei unserem Streifzug rund um's Haus entdecken wir allerhand Bekanntes, aber auch einige nördliche Vertreter wie das Wollgras, das jeder Wiese hier einen malerischen Ausdruck verleiht.

"..geht's los im Gänsemarsch..."Als der Bus wieder da ist, geht's auf zum "Polar Alpine Botanical Garden" in Kirovsk, wo wir bereits erwartet werden. Eine Mitarbeiterin des Botanischen Gartens hat die undankbare Aufgabe, uns zu führen. Wir erfahren, daß der Garten 1931 gegründet wurde, auf ca. 350 ha angelegt ist und ein Forschungszentrum für Pflanzen und Pflanzenökologie angegliedert hat. Der Garten ist in verschiedene Sektionen eingeteilt und zeigt alpine Pflanzen aus aller Welt, typische arktische Vertreter und die natürliche Tundrenvegetation. Eine andere Ecke beherbergt Heilpflanzen wie Baldrian, Liebstöckel, Knöterich, Katzenminze und Nieswurz. Mittlerweile hat es angefangen zu regnen und unsere Führung endet an einem See, der von wahnwitzig vielen Mücken bevölkert wird. Der Blick auf Kirovsk und die umliegenden Berge ist zwar beeindruckend, dennoch schlagen uns die vielen Mücken in die Flucht.

Die Birkenpilze blieben nicht lange wo sie waren...Im Botanischen Garten führt ein kleiner Pfad hoch in die Berge und wir entschließen uns, gleich hier zu wandern. Nach einem Lunch im Park geht's los im Gänsemarsch, angeführt von Herrn Kappen, der im Vorbeigehen jegliche Pflanze am Wegesrand kurzerhand bestimmt. Der Regen hat zwischendurch aufgehört und so macht das flotte Wandern richtig Spaß. Bei unserem Aufstieg gewinnt ein vereinzelter Fels unsere Aufmerksamkeit, da er vollständig von einer Vielzahl an Flechten und Moosen bewachsen ist. Kleine Kelche, gelblich strahlendes Isländisches Moos, geweihartige Flechten, Krustenflechten und blattartig wachsende Nabelflechten überwuchern den gesamten Stein und bilden eine Art "Miniaturökosystem". Ziemlich schnell erreichen wir die Baumgrenze, die tatsächlich in etwa 450m Höhe liegt, und treten aus einem lichten Birkenwäldchen an einen offenen Berghang. Am Gipfel ist ein Schneefeld zu sehen, das leicht zu erreichen scheint. Ein Irrtum, wie sich später herausstellt. Einige entdecken ein Blaukehlchen. Die Anderen bemerken, daß eine Gruppe russischer Männer und Frauen mit prall gefüllten Plastiktüten über die Berge zu uns heruntersteigt und zielstrebig ins Tal wandert. Neugierig fragen wir die Fremden, was denn in den Tüten sei und uns werden prompt Pilze geschenkt. Der Beginn einer verhängnisvollen Pilzesucherei, die in Dalnie mit einem üppigen Pilzgericht endet, mit dem einige von uns nicht wirklich gute Erinnerungen verbinden. Aber wir wissen alle, es gibt in diesem Gebiet keine giftigen Pilze! Unser Ehrgeiz ist auf jeden Fall angestachelt und der Gewinner des Tages lautet eindeutig Professor Spindler, der nach einiger Zeit stolz einen mächtigen Birkenpilz in seinen Händen hält und damit abgelichtet wird.

Gewinner des Tages: Prof. Spindler  Wurde nur Zweiter: Dr. Rolf Gradinger

Währenddessen steigen Astrid, Stefan, Thomas und noch andere weiter Richtung Gipfel. Auch der Regen kann uns nicht abhalten, denn hinter jedem "Gipfel" folgt ein Neuer und wir bemerken gar nicht, daß die Anderen bereits wieder auf dem Rückweg sind. Auf einer Plattform steht ein kleiner Kasten und darin befindet sich ein Thermometer, das 7°C anzeigt. Doch ganz schön kalt hier oben! Endlich erreichen wir den Paß, über den auch die russischen Pilzesammler ihren Weg in dieses Tal gefunden haben. Wir haben einen tollen Blick über den See, Kirovsk, Bergwerke und Berghänge, die wie mit einem Schwert gespalten zu sein scheinen: Folgen vom Abbau der Mineralien, die hier sehr zahlreich zu finden sind. Insgesamt gibt es in den Khibini-Bergen an die 200 verschiedene Mineralien.

"Bergwerke und Berghänge, die wie mit einem  Schwert gespalten zu sein scheinen..."

Nachdem wir diesen weiten Ausblick lange betrachtet und genossen haben, treten auch wir unseren Abstieg an und sind ziemlich schnell wieder im Bereich des Botanischen Gartens. Als wir unten ankommen, sind die Anderen schon mit einem öffentlichen Bus auf dem Weg "nach Hause". Wenig später werden auch wir mit unserem Bus abgeholt und wir merken, daß wir ganz schön durchgefroren sind, Hose und Schuhe sind völlig durchnäßt. Ein Versuch, die nassen Kleider in den Zimmern zu trocknen, scheitert kläglich, da nur eine Heizung warm ist. Gewärmt wird sich erstmal im Schlafsack und dann gibt's auch bald Abendessen. Als kleine Kostprobe bereitet uns Alexey eine leckere Kartoffel-Pilzpfanne aus unseren selbstgesammmelten Pilzen zu. Begossen wird das Ganze mit Wodka, der in einer Tasse mehrmals die Runde macht und von zahlreichen Tosts begleitet ist. Bei einem gemütlichen Abendtrunk sitzen wir noch beisammen und unterhalten uns über "Gott und die Welt". Zu später Stunde tritt Professor Spindler im Doppel noch zu einer Partie Tischtennis an und wir erfahren von einer erfolgreichen Tischtenniskarriere in seiner Jugend. So mancher aus unserer Gruppe versucht sich in Tischtennis, muß sich allerdings geschlagen geben. Und so endet ein weiterer Tag in den Khibini-Bergen.

 
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Last modified: 17-10-99; Author: Thomas Mattern; Maps (c) 1988-1998 Microsoft Coorperation